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European Top Twelve 2022

im SportCentrum Kaiserau in Kamen - Sind bunt gefärbte Haare ein Vorzeichen für den Turniersieg?

geschrieben von Birgit Riester

Deutsche Spielerinnen und Spieler der ETT'22 (leider ohne Birgit)

Am 07. und 08. Oktober trafen sich auf Einladung des Showdownverbandes Deutschland e.V. die zwölf besten Damen und die zwölf besten Herren zum härtesten und prestigereichsten Turnier der Welt im Showdown.

Das Turnier fand im SportCentrum Kamen Kaiserau - dem Leistungszentrum des Fußball und Leichtathletikverbandes Westfalen - statt, welches sehr gute räumliche Bedingungen für die 132 hochklassigen Spiele bot. Aufgrund der Unterkunft und Verpflegung im gleichen Haus zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis erwies sich das Zentrum als ideal für die Ausrichtung eines internationalen Showdown-Turniers.   

Wegen der zum Turnierzeitpunkt angespannten Personalsituation und des auch mit anderen Gruppen ausgebuchten Hauses waren leider keine zusätzlichen Tagesgäste zugelassen, was ausgesprochen schade, aber leider kurzfristig nicht zu ändern war. Wir danken, dass diese Vorgabe von allen respektiert wurde. Das vorhandene Personal hat sich so gut wie möglich um alle organisatorischen Fragen und Hilfestellungen für die 63 teilnehmenden Spieler*innen, Coaches, Begleitpersonen, Schiedsende und des Organisationsteam gekümmert und hatte alle Hände voll zu tun. [Vielen Dank für die stets freundliche und engagierte Unterstützung!]

Sportliche Höchstleistung an der Spitze

Bei den Damen besiegte Hanna Vilmi aus Finnland alle ihre 11 Gegnerinnen deutlich und gab hierbei jeweils nur einen Satz an die Polin Agnieszka Bardzik und die Italienerin Sonia Tranchina ab. Mit einem Punkteverhältnis von 391:153 zeigte Sie erneut ihre absolute Weltklasse. Hanna Vilmi ist seit 18 Jahren an der Spitze der Showdown-Elite zu finden und scheint jedesmal noch besser zu werden. Die deutschen Spielerinnen sind sich einig: „Es ist eine absolute Freude Hannas Spiel zu beobachten und gegen sie spielen zu dürfen.“

Bei den Herren siegte der gerade an die Spitze der Weltrangliste gekletterte 22-jährige Lette Deniss Ovsjannikovs ebenfalls gegen alle 11 Gegner. Nachdem er im letzten Jahr bei der ETT in Frankreich noch mit sechs Siegen Platz 7 belegte, konnte er seine Leistungen durch tägliches Training erheblich verbessern. Lediglich gegen die zweit und drittplatzierten Spieler aus Polen Kisiel und Sloninka sowie den Esten Hoshanijazov ging das Spiel über die volle Distanz von 5 Sätzen. Drei weiteren Spielern musste er noch einen Satz abgeben, darunter auch dem  deutschen Teilnehmer Thade Rosenfeldt, der Ovsannikovs im letzten Jahr noch mit 3:0 besiegte. Rosenfeldt:  „Deniss hat das Turnier verdient gewonnen und war für mich der Spieler, der sich innerhalb eines Jahres am meisten gesteigert hat, ich gratuliere ihm herzlich zu diesem tollen Ergebnis.“

Betrachtet man das Foto der beiden Spitzenspieler, könnte man meinen, dass ein Mittel zum Erfolg auch die bunt gefärbten Haare sein könnten. Dies zeigt sich bei Vilmi schon seit Jahren und scheint auch für Ovsjannikovs gute Wirkung gezeigt zu haben. Aber auch die zweitplatzierte der Damen, Tiia Innos, scheint dies zu bestätigen.

Sieger Deniss Ovsjannikovs und Siegerin Hanna Vilmi

Den zweiten Platz bei den Damen erreichte die 19-jährige Tiia Innos aus Estland mit neun Siegen. Neben Vilmi konnte sich nur noch die beste deutsche Spielerin in diesem Turnier Sabrina Schmitz gegen Innos knapp in fünf Sätzen durchsetzen. Nachdem die junge Estin im letzten Jahr zur Top Twelve in Frankreich als vielversprechendes junges Talent eine Wild-Card erhielt und dort bereits mit sechs Siegen den 6. Platz erreichte, zeigt das Ergebnis diesen Jahres, dass auch mit ihr in Zukunft weiter zu rechnen sein wird. Graziana Mauro aus Bari/Italien schloss nach der Silbermedaille im letzten Jahr, beim diesjährigen Turnier mit dem dritten Platz ab.

Bei den Herren vervollständigten die Polen Krystian Kisiel und Adrian Sloninka das Podium, welche von Ovsjannikovs von ihren bisherigen Plätzen verdrängt wurden.

Und wie schnitten die Deutschen ab?

Aus dem deutschen Teilnehmer-Quintett sind besonders Sabrina Schmitz und Thade Rosenfeldt hervorzuheben.

Schmitz, die bereits zum sechsten Mal in Folge an der Top Twelve teilnahm, erreichte mit 7 Siegen erneut - wie im letzten Jahr - den vierten Platz als beste Deutsche und freute sich selbst riesig darüber.

Nach dem Eröffnungsspiel gegen Vilmi, welches Schmitz in drei klaren Sätzen verlor, schloss sich ein Krimi gegen die abwehrstarke Italienerin Folino an. Schmitz glich zweimal den Satzvorsprung von Folino aus, verlor dann aber den fünften Satz mit 7:11. 

Nach der Mittagspause startete Schmitz mit einem Sieg ohne Satzverlust gegen die Polin Monika Szwalek. Auch gegen die mehrfache deutsche Meisterin Antje Samoray aus Berlin, welche von ihrem Mann und ihrem 10 Monate alten Sohn begleitet wurde, siegte sie in vier Sätzen. 

Im letzten Spiel des Tages gegen Tanja Oranic aus Slowenien ging Schmitz zunächst mit zwei deutlichen Sätzen (2:11; 7:11) in Rückstand, bekam ihre Gegnerin dann aber in den Griff und gewann die nächsten drei Sätze und somit auch das Spiel.

Am Samstag Morgen musste Schmitz zunächst zwei deutliche Niederlagen gegen die Italienerin Sonia Tranchina und die Polin Agnieszka Bardzik hinnehmen.

Gegen die zweitplatzierte Tiia Innos gestaltete sich das Spiel wieder sehr ausgeglichen. Schmitz ging jeweils in Führung, welche Innos wieder ausglich. Der fünfte Satz und somit der Sieg ging aber mit 11:6 an Schmitz.

Nach der Mittagspause traf Schmitz auf ihre Landsfrau Bettina Steffan. Nachdem Schmitz den ersten Satz deutlich mit 12:3 gewann, kam Steffan besser ins Spiel und entschied den zweiten und dritten Satz für sich (11:8; 12:7). Schmitz glich jedoch mit 12:9 aus und gewann auch den fünften Satz mit 11:8. Auch im letzten Spiel des Turniers gegen Graziana Mauro behielt Schmitz die Nerven als diese mit zwei Sätzen in Führung ging. Mit 11:9; 12:10 und 11:4 kämpfte sie sich zurück und holte sich noch einen weiteren Sieg.

Thade Rosenfeldt aus Marburg verlor im Gegensatz zum Vorjahr einen Platz, versicherte jedoch mit seinem Abschneiden im Turnier als Viertplatzierter sehr zufrieden zu sein. „Ich bin dieses Jahr nicht so in Form gewesen und fand das Turnier anstrengend, da ich insgesamt 42 Sätze gespielt habe, mehr als die Jahre zuvor.“

Rosenfeldt eröffnete das Turnier mit einem klaren Sieg gegen den Esten Alisher Hoshanijazov.  Auch das zweite Spiel gegen den Finnen Jouni Viitamäki begann vielversprechend mit zwei gewonnenen Sätzen. Diesen Vorsprung konnte Rosenfeldt jedoch nicht halten und verlor die nächsten drei Sätze knapp mit  8:11; 10:12; 10:12.

Der Slowake Stefan Marcin ging im nächsten Spiel zwar im ersten Satz gegen Rosenfeldt in Führung, Rosenfeldt entschied aber den zweiten, dritten und fünften Satz für sich.

Am Nachmittag folgten Siege gegen den Finnen Juha Oikarainen, Pierre Bertrand aus Frankreich und den Polen Lukasz Byczkowski, so dass Rosenfeldt den ersten Tag mit fünf Siegen abschloss.

Der zweite Tag begann mit zwei Niederlagen in vier Sätzen gegen Sloninka und Ovsannikovs. Nach einem Sieg gegen Marco Carrai, der allerdings aufgrund einer Verletzung der rechten Hand mit links spielen musste und daher kaum eine Chance zu einem Sieg hatte, folgte nach eigener Aussage Rosenfelds schönstes Spiel. „Im Spiel gegen Ari Lahtinen (Finnland) gelang mir alles, was ich kann“, daher fiel das Ergebnis mit 11:3; 12:0; 11:1 auch entsprechend deutlich aus.   

Ein enges Spiel auf Augenhöhe folgte gegen den Polen Kisiel. Zunächst ging Rosenfeldt mit 13:10 und 11:9 in Führung, gab aber dann die folgenden drei Sätze mit 6:11; 7:11; 9:11 ab.

Als zweitbeste Deutsche schnitt Antje Samoray aus Berlin ab. Sie belegte mit fünf Siegen den sechsten Platz und kletterte durch die erlangten Listenpunkte auf den zweiten Platz der Weltrangliste hinter Vilmi.

Am Freitag startete Samoray dabei mit fünf Niederlagen in Folge. Zwar konnte sie Innos, Bardzik, Schmitz und Mauro je einen Satz abnehmen, ein Sieg gelang ihr dabei nicht. Besonders eng war das Spiel gegen Birgit Riester aus Kassel. Diese führte bereits mit zwei Sätzen mit 12:8 und 12:5, Samoray holte sich aber den dritten und vierten Satz mit je 11:8, so dass die Entscheidung erst im fünften Satz mit einem knappen 12:10 an Riester ging.

Der zweite Tag lief dann jedoch richtig gut für Samoray. Zunächst schlug sie Bettina Steffan aus Kassel in drei Sätzen. Da Monika Szwalek am zweiten Turniertag wegen einer Verletzung der rechten Hand nicht mehr antrat wurde Samoray ein weiterer Sieg gut geschrieben. Nach einer deutlichen Niederlage gegen Vilmi, erreichte sie jedoch am Samstag noch drei Siege gegen Oranic, Tranchina und Folino, wobei sie nur Tranchina noch einen Satz abgeben musste.

Bettina Steffan konnte drei Siege verbuchen und erreichte insgesamt wie im letzten Jahr den 10. Platz des Turnieres.

Im Eröffnungsspiel gegen Folino nahm sie dieser einen Satz ab, musste sich aber mit 1:3 Sätzen geschlagen geben. Gegen Szwalek erreichte sie jedoch in vier Sätzen den ersten Sieg.

Nach eindeutigen Niederlagen gegen Vilmi und Oranic, wurde es gegen Tranchina spannend. Nachdem Tranchina den ersten Satz knapp mit 12:10 gewann, gingen die nächsten Sätze mit 11:7; 11:8 an Steffan. Die Italienerin kam jedoch wieder zurück und entschied mit 11:8; 11:2 das Spiel für sich.

Am Samstag erreichte Steffan einen deutlichen Sieg gegen Bardzik und ihr wurde ein Sieg gegen Riester gut geschrieben, die am zweiten Tag nicht mehr angetreten ist.

Birgit Riester aus Kassel startete am Freitag mit drei Siegen in das Turnier. In vier Sätzen bezwang sie Tranchina, danach in jeweils fünf Sätzen Samoray und Oranic.

Gegen Szwalek holte sie sich zwar einen Satz und hatte auch die Chance bis zum 13:13 den vierten Satz für sich zu entscheiden, Szwalek machte dann aber doch mit 15:13 den Sack zu.

Im letzten Spiel des Tages gegen Vilmi war Riester chancenlos.

Aufgrund eines positiven Corona-Tests begab sich Riester jedoch am Samstag Morgen in Isolation und beendete das Turnier unverzüglich, so dass die weiteren 6 Spiele als verloren gewertet wurden.

Mit ebenfalls drei Siegen wie Steffan, aber wegen des internen Vergleichs, erreichte Riester den 11. Platz vor Szwalek, die den ersten Tag mit zwei Siegen abschloss und am zweiten Tag verletzungsbedingt nicht mehr startete.

Alle Spielergebnisse unter https://www.showdown-tournament.com

Und wer war noch da?

Sabrina Schmitz eröffnete im Namen des Organisations-Teams am Freitagmorgen das Turnier und spielte eine Audio-grußbotschaft des Vorsitzenden des Showdownverbandes Deutschland e.V. Kevin Barth ab, der leider aus beruflichen Gründen nicht vor Ort sein konnte. Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Kamen Herr Wiedemann überbrachte Grüße der Stadt und wünschte ein spannendes Turnier. Am Samstagmittag besuchte das Turnier auch der Vize-Präsident des Deutschen Behinderten Sportverbandes Herr Quade, der sich von Mitgliedern des Organisations-Teams und des Vorstandes die Sportart zeigen ließ und auch bei Spielen zuschaute.

Im Rahmen der Siegerehrung am Samstagabend dankte die stellvertretende Vorsitzende Frau Kohn im Namen des SVD-Vorstandes allen für das tolle Turnier. Ohne die finanzielle Unterstützung der Paul-und-Charlotte-Kniese-Stiftung und der Gemeinschaft der Blindenfreunde wäre das Turnier so nicht möglich gewesen. Sie dankte dem Orga-Team für die gute Zusammenarbeit. Die Siegerehrung wurde dann durch den Chef-Schiedsrichter Stefan Wimmer in seiner gewohnt spontanen und spritzigen Art vorgenommen und allen Spielern und Spielerinnen Taschen mit Präsenten für zu Hause übergeben.

Pokale an die drei Besten bei den Damen und den Herren wurden überreicht, die finnische und zum ersten Mal auch die lettische Nationalhymne gespielt, Fotos gemacht und viel applaudiert.

Allen 12 Unparteiischen aus neun Ländern Europas dankte Wimmer dafür, dass sie nach Deutschland gekommen sind, um hier dem ersten internationalen Turnier zum Erfolg zu verhelfen und übergab auch ihnen kleine Aufmerksamkeiten.

Nachdem Kohn dem Entwickler der Homepage und des Programms www.showdown-tournament.com Alfons Vollmer, welcher auch die Ergebnisse vor Ort eigenhändig eingetragen hat gedankt hatte, wurde es zum Abschluss doch noch etwas traurig.

Wimmer teilte mit, dass dies das letzte Turnier für ihn gewesen sei und er sich besonders darüber freue, dass unter den angereisten Schiedsrichtern viele gewesen seien, die er als Freunde gewonnen habe.

Er betonte, dass Professionalität gut ist und auch der Wettkampf, aber dass die internationalen Freundschaften, die er in den letzten 13 oder 14 Jahren bei den Turnieren schließen konnte, ihm doch das Wichtigste seien. Wer einmal in Berlin sei, solle gerne auf ein Bier bei ihm vorbeikommen und er wünsche weiterhin allen gute Turniere. Die Abschiedsfeier dauerte bis in den frühen Morgen an.

Auch wir danken Stefan Wimmer für sein jahrelanges Engagement für den internationalen und nationalen Showdownsport und wünschen uns, dass auch weiterhin Menschen Freude daran finden, als sehende Unparteiische oder Trainer diesen Sport, der überwiegend von blinden und sehbehinderten Menschen gespielt wird, zu unterstützen.